Villa Landluft / Kim Lenschow + pihlmann Architekten

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Mar 09, 2024

Villa Landluft / Kim Lenschow + pihlmann Architekten

+ 24 Textbeschreibung der Architekten. Am Tor zum Zentrum von Aarhus, an der Schwelle zwischen vorstädtischen Wohnhäusern und städtischen Stadtblöcken, liegt Villa Landluft – ein stattliches Herrenhaus

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Textbeschreibung der Architekten. Am Tor zum Zentrum von Aarhus, an der Schwelle zwischen vorstädtischen Wohnhäusern und städtischen Stadtblöcken, liegt Villa Landluft – ein stattliches Herrenhaus aus dem Jahr 1897 mit Anspielungen auf die Architektur der italienischen Renaissance. Der Name Villa Landluft, dänisch für „Villa Country Air“, stammt aus einer Zeit, als das Haus weit außerhalb des Zentrums von Aarhus lag. Nach mehr als hundert Jahren städtebaulicher Entwicklung war dieses einst stolze Herrenhaus zu einem heruntergekommenen architektonischen Außerirdischen verfallen – einer letzten verbliebenen Bastion einer vergangenen Ära. Das Projekt reaktiviert eine veraltete Gebäudetypologie, die sich sowohl ästhetisch, funktional als auch demografisch von ihrer Umgebung gelöst hat.

Die Villa Landluft wird durch eine tiefgreifende Transformation und den Bau einer Zwillingsvilla, der Villa Landluft II, wiederbelebt – zusammen bilden sie ein kohärentes Projekt, in dem Zeiten und Typologien zu einer unsentimentalen Collage verschmelzen. Es entsteht im Rahmen eines architektonischen Zusammenspiels der beiden Häuser sowie einer neuen Korrelation mit der umgebenden Stadt. Zwischen der ursprünglichen Villa Landluft und der Villa Landluft II ist ein privater Garten angelegt, der vom italienischen Renaissancegarten inspiriert ist. Das Grundstück ist von einem Spalier begrenzt, das die Grenze zwischen Privateigentum und Stadtleben sowohl verwischt als auch verwischt. Ebenso ist die südöstliche Ecke des Grundstücks offen und großzügig zu einem kleinteiligen öffentlichen Raum gestaltet, der Kataster und Stadt miteinander verbindet.

Das bestehende Herrenhaus wies Spuren zahlreicher Anbauten auf, die seinen ursprünglichen Charakter beeinträchtigt hatten. Diese werden abgelöst, sodass die klassischen Kompositionen wieder zum Vorschein kommen – eine weiß verputzte Fassade mit eleganten Friesen, deutlichen Reliefs und einer scharfen Gesimslinie. Ohne bestehende Elemente nachzubilden, verweist der Innenraum auf herrschaftliche Qualitäten und demonstriert zeitgenössische Bautechniken. Der Fischgrätenboden bleibt erhalten, während die einst schäbigen Wände grob verputzt und mit Trennwänden aus Gipskarton isoliert werden.

Im Treppenhaus interpretieren Kalziumsilikatblöcke das klassische Mauerwerk neu, während die Treppe selbst aus lasergeschnittenen Stahlplatten besteht, die die zeitgenössischen Möglichkeiten des Handwerks widerspiegeln. Die zwischengeschalteten Nassräume nutzen – ebenso wie die isolierenden Trennwände – nicht die gesamte Deckenhöhe aus. Dadurch kann der Stuck die ursprüngliche Dimension der Räume als Zeugnis der feierlichen Vergangenheit der Villa Landluft zeigen – pragmatisch platziert neben verzinkten Lüftungsrohren.

Villa Landluft II spiegelt die Villa Landluft als zeitgenössische Interpretation eines Herrenhauses wider. Die Proportionen, die Symmetrie der Dachgauben, der Rhythmus der Fenster, das markante Gesims und der dezente Fries verweisen auf die Architektur der Villa Landluft. Im Inneren erscheint das Ortbeton-Strukturgerüst freigelegt und lässt den Abdruck der Schalung als sinnliches Element materialisieren. Die rohen Betonoberflächen offenbaren die Tektonik des Gebäudes und vermitteln die Konstruktion des Hauses.

Auf jeder Etage befinden sich zwei Dreizimmerwohnungen, die sich über eine Mittelachse spiegeln. In jedem Raum wird der Stuck der Villa Landluft auf subtile Weise als funktionales Kassettensystem neu interpretiert, das eine dünne Schiebeschiene für Vorhänge und Wanddekoration enthält. Die Fenster sind außerhalb des Betonrahmens montiert, sodass die Öffnungen von innen betrachtet wie scharfe Einschnitte in die Betonflächen wirken. Sie geben Schnitte durch die Außenwände des Gebäudes frei und legen die Anatomie der Villa Landluft II offen.

Die Reaktivierung der historischen Villa erfolgt durch die Integration zeitgenössischer Baukomponenten und -techniken in ein Verständnis der Typologien, Qualitäten und Lebensbedingungen der Region. In einem zusammenhängenden Projekt treten Villa Landluft und Villa Landluft II unsentimental in einen Dialog mit und über unser gebautes Erbe. Dadurch wird der Übergang von der historistischen Villa zum zeitgenössischen Kontext vermittelt und das Kataster als Teil des Stadtgefüges wiederbelebt.

Paula Pintos